Achtsamkeit - Ein Weg zu einem bewußten Leben mit Kindern 

Mag. Martina Jaffe 

"Du kannst die Wellen nicht stoppen, 
aber du kannst lernen zu surfen."


Jon Kabat-Zinn


Dieses sehr bekannte Zitat von Jon Kabat-Zinn beschreibt sehr treffend, was die Praxis der Achtsamkeit für mich darstellt. Häufig können wir uns unsere Lebensumstände nicht selbst aussuchen und haben manchmal auch das Gefühl von ihnen bzw. den Emotionen, die sie mit sich bringen, überschwemmt zu werden. Dies erinnert an Wellen, die man nicht unter Kontrolle hat. Wenn man so durchs Leben geht, entsteht schnell einmal ein Gefühl von Hilflosigkeit. Achtsamkeit kann dabei helfen zu erkennen, dass man jedoch den Lebensumständen keineswegs ausgeliefert ist. Man hat immer die Möglichkeit, Situationen, die auf den ersten Blick unveränderlich scheinen, anzunehmen und anders zu bewerten. Statt gegen die Wellen anzukämpfen, kann man sich vom Wasser tragen lassen. Die Akzeptanz dessen was ist sowie eine freundliche Haltung sich selbst, anderen und dem Leben gegenüber eröffnet uns einen völlig neuen Zugang. So werden auch schwierige Situationen im Leben und Herausforderungen bewältigbar. Wir lernen zu surfen. 


Achtsamkeit wird von Jon Kabat-Zinn beschrieben als eine besondere Art aufmerksam zu sein – bewusst, im gegenwärtigen Augenblick und ohne zu urteilen. Er beschreibt sie zudem als „die Kunst, bewusst zu leben“. 


Im Leben mit Kindern bedeutet Achtsamkeit genau das – sich und seinen Kindern wohlwollende, freundliche, annehmende Aufmerksamkeit zu schenken. Es ist damit auch gemeint, sich in Mitten des häufig chaotischen Alltags immer wieder bewusste Momente zu gönnen. Es bedeutet, sich kleine Auszeiten zu schenken, in denen man den aktuellen Moment genießt und somit weder mit Erlebnissen aus der Vergangenheit noch damit beschäftigt ist, was in der Zukunft passiert und was noch alles zu erledigen ist. So kann man sich z.B. dem Lachen seines Kindes oder dem Gefühl der Sonne auf der Haut bewusst zuwenden. 


Achtsamkeit bedeutet nicht, dass man alles akzeptieren muss, was im Leben passiert, dass man nie wieder schlecht gelaunt sein oder kritische Gedanken haben darf und dass man sich nur glücklichen Momenten zuwendet. Es bedeutet vielmehr, dass man sich nicht dafür verurteilt, sondern bewusst wahrnimmt und akzeptiert, wenn es gerade schwierig ist. 


Gerade, wenn man im Stress ist, sich überfordert fühlt oder einfach viel zu tun hat, neigen wir dazu, automatisch zu reagieren. Wenn man sich mit Achtsamkeit begegnet, wird es möglich, auch in schwierigen Situationen innezuhalten und bewusst zu entscheiden, wie man reagieren möchte. 


Man wird sich seiner Gefühle bewusst, lernt diese zuzulassen und wieder gehen zu lassen. Bedürfnisse, die hinter den Gefühlen stehen, werden einem bewusst und man kann wahrnehmen was man braucht und so für sich sorgen. Es ist genau diese Haltung und Herangehensweise, die auch im Umgang mit Kindern sehr hilfreich ist. 


Schon Babys können sehr intensive Emotionen haben, die auch auf uns Mamas sehr stark wirken können. Achtsamkeit hilft dabei, bei sich selbst zu bleiben und auch die Gefühle der Kinder bewusst wahrzunehmen, anzunehmen und zu erkennen, welches Bedürfnis dahinter steckt. So wird es möglich, mit mehr Mitgefühl auf unsere Kinder zu reagieren und uns nicht dafür zu verurteilen, wenn wir doch einmal in Stress geraten und uns nicht so verhalten, wie wir uns das wünschen würden. 


Achtsamkeit hilft dabei, sich seinen Gefühlen zuzuwenden, auch oder gerade wenn sie schwierig sind. Im Alltag neigen wir häufig dazu, unsere Gefühle (z.B. Angst, Wut, Trauer) abzulehnen, uns von ihnen abzuwenden oder uns abzulenken, um sie nicht spüren zu müssen. Dies kann im ersten Moment Erleichterung verschaffen und uns kurzfristig helfen, mit schwierigen Gefühlen umzugehen. Normalerweise werden aber Gefühle, die wir wegzuschieben versuchen, intensiver. Wenn man sie annimmt, sich ihnen zuwendet und im Körper spürt, kann man jedoch feststellen, dass sich diese verändern. Wenn man sie annimmt, wird es möglich, sie zuzulassen und loszulassen. 


Es ist genau das, was man vor allem bei Babys und kleinen Kindern sehr gut beobachten kann. Diese können in einem Moment zufrieden und glücklich sein, im nächsten Moment verzweifelt weinen, um dann wieder zu einem ausgeglichenen Zustand zurückzukehren. 


Generell leben kleine Kinder im Hier und Jetzt. Es kann sehr bereichernd sein, sich von ihnen in den aktuellen Moment mitnehmen zu lassen, beispielsweise das Essen mit allen Sinnen zu geniessen und die Welt mit einer Neugier zu betrachten, als würde man vieles zum ersten Mal sehen oder erleben. 


Für mich waren und sind meine Töchter wunderbare Achtsamkeitslehrerinnen. Ich habe seitdem sie auf der Welt sind, sehr viel über mich und über sie gelernt. Dieses Lernen ist sicher noch lange nicht abgeschlossen. Ich geniesse es, gemeinsam mit ihnen zu wachsen und gemeinsam die Herausforderungen des Alltags zu meistern. Achtsamkeit stellt eine grosse Bereicherung für unser Leben dar.  Ich möchte die Zeit mit meinen Töchtern so bewusst wie möglich erleben und auch anderen ermöglichen, eigene Erfahrungen mit Achtsamkeit zu machen. Aus diesem Grund biete ich u.a. MBSR-Kurse an.

Ein bewußter Umgang mit schwierigen Gefühlen

Mag. Martina Jaffe 


Warum lohnt es sich, sich seinen Gefühlen zuzuwenden?


Gefühle, wie z.B. Angst, Trauer und Wut, werden für uns in Form von Körperempfindungen wahrnehmbar (u.a. Enge im Herzbereich, schnelle Atmung, Hitzegefühl in einem Körperteil, kalte Füße, zitternde Hände usw.). Häufig empfinden wir dies als unangenehm und belastend, weshalb wir vermeiden, unsere Gefühle zu spüren. Wir neigen dann dazu diese zu bagatellisieren, uns abzulenken oder „in den Kopf zu flüchten“ bzw. ins Denken und Analysieren. Kurzfristig bringt uns das manchmal Erleichterung. Das darunterliegende Gefühl verschwindet dadurch jedoch nicht, manchmal kann es auf diese Weise auch sehr lange anhalten bzw. immer wieder sehr intensiv auftreten. 

Was einem auf diese Weise verborgen bleibt, ist es, die Bedürfnisse hinter den jeweiligen Gefühlen zu erkennen bzw. das, was uns das Gefühl sagen will. Entschließt man sich dazu, ein Gefühl anzunehmen, ernst zu nehmen, anzuerkennen, ihm wirklich Raum zu geben und es im Körper zu spüren, kann man erst erleben, dass Veränderung möglich ist. Wenn wir unsere Gefühle wirklich zulassen, können sie sich verändern und auflösen. Auf diese Weise empfinden wir sie nicht mehr als Belastung. Wir können erleben, dass hinter Gefühlen Bedürfnisse zum Vorschein kommen. Wenn wir diese erkennen, können wir unsere Entscheidungen im Alltag nach ihnen ausrichten und sie können generell zu bedeutenden Wegweisern im Leben werden. 

Auf diese Weise orientieren wir uns weniger im Außen bzw. an den Meinungen und Ratschlägen anderer, sondern wir leben vielmehr im Einklang mit unseren eigenen Bedürfnissen. Somit wird es möglich, unsere Herzenswünsche zu erkennen und unseren eigenen, individuellen Weg im Leben selbstbestimmt zu gehen.

Wenn wir Gefühle zulassen, erkennen wir häufig auch Lösungen für die Probleme, die unsere Gefühle ausgelöst haben. Diese Lösungen entstehen dann von innen heraus, passend für die eigene, individuelle Situation. Wir sind selbst die Experten für unsere Probleme und können immer mehr darauf vertrauen, dass wir Herausforderungen und schwierige Situationen im Leben bewältigen können.

Gefühle zuzulassen und im Körper zu spüren kann sich auch sehr positiv auf unsere Gesundheit auswirken. Unser Körper kann u.a. in Form psychosomatischer Beschwerden aufzeigen, wenn es Zeit ist, etwas in unserem Leben zu verändern. Wenn wir dann beginnen, uns unserem Körper zuzuwenden, Gefühlen offen zu begegnen und sie wirklich anzunehmen und zu fühlen, können wir erkennen, was uns unser Körper sagen will. 

Ein offener und annehmender Umgang mit unseren Gefühlen wirkt sich auch auf unsere Beziehungen aus. Statt anderen die Verantwortung für unsere Gefühle zu geben und Konflikte entstehen zu lassen, können wir zuerst nach innen schauen. Wenn wir dann erkennen, was hinter unseren Gefühlen steckt, können wir uns bewusst für Handlungen entscheiden, statt automatisch zu reagieren. 

Auch die Beziehung zu unseren Kindern kann sehr positiv gestärkt werden, wenn wir uns mit unseren eigenen Gefühlen auseinandersetzen. Wenn wir diese wahrnehmen und annehmen, gelingt es uns einfacher, die Gefühle unserer Kinder zu erkennen und ihnen mit Mitgefühl zu begegnen. Auf diese Weise können wir unseren Kindern von Anfang an einen bewussten Umgang mit ihren Gefühlen ermöglichen. Dies kann ihnen –wie auch uns- den Umgang mit Herausforderungen im Leben erleichtern und auch zu mehr Lebensfreude, Selbstbewusstsein sowie Vertrauen in sich und das Leben führen.

Man kann lernen, mit den eigenen Gefühlen bewusst umzugehen. Dabei kann es hilfreich sein, Unterstützung zu bekommen, verschiedene Methoden auszuprobieren, um feststellen zu können, welches der eigene Zugang ist. Ich begleite Menschen dabei, die eigenen Gefühle und Bedürfnisse wahrzunehmen und Lösungen für aktuelle Probleme entstehen zu lassen.  Somit werden bzw. bleiben Menschen auch selbstwirksam im Umgang mit eigenen Gefühlen. Auf diese Weise ist es möglich, das Vertrauen zu entwickeln oder zu stärken, dass sie selbst die Experten für ihre Probleme sind. Ich sehe mich in diesem Prozess als Begleiterin. 



Grenzen setzen im Einklang mit den eigenen Bedürfnissen und den Bedürfnissen der Kinder


Mag. Martina Jaffe 


Warum hilft die Kenntnis und Anerkennung der eigenen Bedürfnisse Grenzen zu setzen?



Meine dreijährige Tochter ist gerade in einer Phase ihres Lebens, in der sie sehr viel Autonomie entwickelt, mehr und mehr ihren eigenen Weg geht und ihre Persönlichkeit entfaltet. Es bereitet mir viel Freude, sie bei diesen Entwicklungen zu begleiten und gleichzeitig ist es eine sehr große Herausforderung, die sehr intensive Gefühle (u.a. auch Ärger und Wut) auslösen kann. 


Ich, wie auch viele andere Eltern, wünsche mir eine liebevolle, warme und harmonische Beziehung zu meinen Kindern. Wir möchten die Wünsche und Bedürfnisse unserer Kinder erfüllen, um diese glücklich zu machen – auch wenn das bedeutet, die eigenen Bedürfnisse zu vernachlässigen. Im liebevollen Bemühen, die Bedürfnisse der Kinder zu erfüllen, werden die eigenen Bedürfnisse allzu oft in den Hintergrund gedrängt. Häufig führt gerade dieses Verhalten bei den Kindern nicht zu der erhofften Zufriedenheit. Wie Jesper Juul so schön sagt: „Einem Kind, dem alle Wünsche erfüllt werden, werden nicht alle Bedürfnisse erfüllt.“ Kinder haben auch ein Bedürfnis nach Grenzen und nach Eltern, die ihnen durch das liebevolle und klare Setzen von Grenzen Halt, Orientierung und Sicherheit geben. 


Auch wenn sich viele Eltern dessen bewußt sind, kann es doch eine Herausforderung darstellen, mit gutem Gewissen, klare Grenzen zu ziehen und auf diese Weise die eigenen Bedürfnisse zu schützen. In Situationen, in denen Eltern ihren Bedürfnissen keinen oder nur sehr eingeschränkten Raum geben, kann Ärger entstehen. Wird dieser missachtet oder verdrängt, staut sich der Ärger (wie alle anderen Emotionen, die wir nicht fühlen wollen) normalerweise auf und wird intensiver. Jedes Mal, wenn wir unsere Bedürfnisse missachten und Ärger hochsteigt, wird das berühmte Fass etwas mehr gefüllt und droht irgendwann überzulaufen.  Zudem spüren Kinder häufig, wenn wir uns nicht erlauben, ein klares „Nein“ auszusprechen. Diese Ambivalenz, die entsteht, wenn wir dem Kind etwas erlauben, das bei uns gleichzeitig Ärger auslöst, kann für ein Kind verwirrend sein und es verunsichern. 

Dies ist auf lange Sicht weder im Hinblick auf das eigene Befinden noch für die Beziehung mit dem Kind förderlich. 

Um Kindern klare Grenzen zu setzen, ist es wichtig, sich mit den eigenen Bedürfnissen und Gefühlen auseinanderzusetzen. Diese sind im Alltag nicht immer klar wahrnehmbar. Eltern, die sich ihrer Bedürfnisse bewusst sind und diese anerkennen, gelingt es leichter, diese klar zu kommunizieren. Auf diese Weise können Eltern ihre Grenzen wahren und sich bewusst dafür entscheiden, wie sie auf die Wünsche ihrer Kinder reagieren möchten. Idealerweise erlaubt die Situation eine Lösung, die alle Bedürfnisse berücksichtigt. 


Auf diese Weise, geben wir als Eltern unseren Kindern Sicherheit und Halt. Die Kinder lernen von uns, mit gutem Gewissen „Nein“ zu anderen zu sagen. Sie lernen, ihre eigenen Bedürfnisse wichtig zu nehmen und gleichzeitig auch die Bedürfnisse anderer in ihre Handlungen miteinzubeziehen sowie bewusst Kompromisse einzugehen